Hinter einem Schleier verborgen
Seit langer Zeit liegt ein Schleier zwischen mir und der Welt, hinter dem ich mich vor den Menschen versteckt halte. Ich könnte auch sagen, dass ich verschleiert durch die Welt gehe. Wie eine Braut bei der Hochzeit ihren Schleier trägt, bis er nach der Trauung geliftet wird.
Ich nutze den Schleier nicht nur um mich zu verstecken, sondern auch, um mich vor der Welt zu beschützen. Jede Form von Energie, die zwischen mir und der Welt ausgetaucht wird, wird von dem Schleier beeinflusst, verfälscht oder abgeschwächt.
Das heißt, solange ich meinen Schutz trage, sehe ich die Welt nicht wie sie ist und kann die Welt mich nicht so sehen, wie ich wirklich bin.
Die Scham eines SS-Enkels
Seit einiger Zeit fange ich an, kleine Löcher zu schneiden und diese immer größer zu machen. Das war bis vor kurzem ein mehr oder weniger unbewusster Vorgang, den ich jetzt deutlicher wahrnehmen kann. Vor allem kann ich jetzt fühlen, welche Rolle das Gefühl der Scham bei dem Ganzen spielt.
Und das kam so:
In einem Zweier-Gespräch wollte ich davon erzählen, warum es mir am Herzen liegt, mich an der Aufarbeitung des Holocaust während des Dritten Reiches zu beteiligen. Ich erzählte u.a. von meinen Großvätern, die bei der SS waren, und das dieser Fakt für mich vor Jahren einer Verpflichtung gleichkam, mich dem Thema zu widmen.
Als ich mit meinem „Bericht“ fertig war, wurde mir bewusst, dass ich mich innerlich von meinem Zuhörer abgekoppelt hatte. Und dass ich im Grunde nur zu mir gesprochen habe. Darauf bedacht war, dass die Energie meiner Worte innerhalb einer Blase blieb, in der ich saß.
Nachdem mir dies bewusst geworden war, teilte ich dies mit und nahm wieder gefühlten Kontakt auf. Ich konnte also die Blase willentlich verlassen.
Im nächsten Moment durchströmte mich eine Welle von Scham. Ich erkannte, dass ich mich dafür schämte, dass meine Großväter in der SS gewesen sind. Und sogar dafür, dass ich am Leben und in der Welt war.
Wie meine Scham die Welt verschleiert
Glücklicherweise hatte ich schon einige Erfahrung mit meiner Scham, weswegen ich einigermaßen entspannt bleiben konnte, während sich das Gefühl in mir zeigte. So konnte ich sehen, dass ich mich vor allem deshalb von meinem Zuhörer distanziert hatte, um die Scham zu vermeiden.
Neugierig geworden, blickte ich auf einige Interaktionen zurück, die ich in letzter Zeit mit meinem Mitmenschen erlebt habe. Und da entdeckte ich ihn, den Schleier. Und den Abstand, den ich zu meinen Mitmenschen gehalten habe. Stets bin ich innerlich einen Schritt zurückgegangen, wenn ich auf einen Menschen traf. Und dieser Schritt zurück legte den Raum frei, in dem meine Scham abgelegt war.
So verstand ich, dass ich auf diesem Wege zwar die Scham nicht fühle, dass ihre Energie aber trotzdem da ist. Und dass diese Energie dafür sorgt, dass ich die Welt verschleiert und verzerrt sehe und anders herum genauso.
Neue Klarheit, neue Lebendigkeit – zusammen mit der Scham
Nachdem mir dieser, sich immer wieder wiederholender, Prozess bewusst geworden war, konnte ich mich umentscheiden und, zusammen mit der Scham, den Menschen einen Schritt entgegenkommen. Also, genau den Schritt, den ich normalerweise innerlich zurückgegangen bzw. geblieben bin.
Mit einem Mal sah ich die Welt mit einer mir bis dahin unbekannten Klarheit. So, als wenn ich zuvor in einen Röhrenfernseher aus den 90er Jahren gesehen hatte und jetzt auf einen modernen Flachbildschirm-TV schaute. Ich fühlte meine Scham und akzeptierte sie. Und mit ihr strömte eine neue Lebendigkeit in meinen Körper.
Ich sah und spürte, was mir bislang durch meine Flucht vor der Scham bzw. den damit erzeugten Schleier entgangen war: Direkter, klarer und lebendiger Kontakt zu meinen Mitmenschen. Und darüber hinaus Sichtbarkeit und Wirksamkeit in der Welt.
Hinter einem Schleier verborgen
Seit langer Zeit liegt ein Schleier zwischen mir und der Welt, hinter dem ich mich vor den Menschen versteckt halte. Ich könnte auch sagen, dass ich verschleiert durch die Welt gehe. Wie eine Braut bei der Hochzeit ihren Schleier trägt, bis er nach der Trauung geliftet wird.
Ich nutze den Schleier nicht nur um mich zu verstecken, sondern auch, um mich vor der Welt zu beschützen. Jede Form von Energie, die zwischen mir und der Welt ausgetaucht wird, wird von dem Schleier beeinflusst, verfälscht oder abgeschwächt.
Das heißt, solange ich meinen Schutz trage, sehe ich die Welt nicht wie sie ist und kann die Welt mich nicht so sehen, wie ich wirklich bin.
Die Scham eines SS-Enkels
Seit einiger Zeit fange ich an, kleine Löcher zu schneiden und diese immer größer zu machen. Das war bis vor kurzem ein mehr oder weniger unbewusster Vorgang, den ich jetzt deutlicher wahrnehmen kann. Vor allem kann ich jetzt fühlen, welche Rolle das Gefühl der Scham bei dem Ganzen spielt.
Und das kam so:
In einem Zweier-Gespräch wollte ich davon erzählen, warum es mir am Herzen liegt, mich an der Aufarbeitung des Holocaust während des Dritten Reiches zu beteiligen. Ich erzählte u.a. von meinen Großvätern, die bei der SS waren, und das dieser Fakt für mich vor Jahren einer Verpflichtung gleichkam, mich dem Thema zu widmen.
Als ich mit meinem „Bericht“ fertig war, wurde mir bewusst, dass ich mich innerlich von meinem Zuhörer abgekoppelt hatte. Und dass ich im Grunde nur zu mir gesprochen habe. Darauf bedacht war, dass die Energie meiner Worte innerhalb einer Blase blieb, in der ich saß.
Nachdem mir dies bewusst geworden war, teilte ich dies mit und nahm wieder gefühlten Kontakt auf. Ich konnte also die Blase willentlich verlassen.
Im nächsten Moment durchströmte mich eine Welle von Scham. Ich erkannte, dass ich mich dafür schämte, dass meine Großväter in der SS gewesen sind. Und sogar dafür, dass ich am Leben und in der Welt war.
Wie meine Scham die Welt verschleiert
Glücklicherweise hatte ich schon einige Erfahrung mit meiner Scham, weswegen ich einigermaßen entspannt bleiben konnte, während sich das Gefühl in mir zeigte. So konnte ich sehen, dass ich mich vor allem deshalb von meinem Zuhörer distanziert hatte, um die Scham zu vermeiden.
Neugierig geworden, blickte ich auf einige Interaktionen zurück, die ich in letzter Zeit mit meinem Mitmenschen erlebt habe. Und da entdeckte ich ihn, den Schleier. Und den Abstand, den ich zu meinen Mitmenschen gehalten habe. Stets bin ich innerlich einen Schritt zurückgegangen, wenn ich auf einen Menschen traf. Und dieser Schritt zurück legte den Raum frei, in dem meine Scham abgelegt war.
So verstand ich, dass ich auf diesem Wege zwar die Scham nicht fühle, dass ihre Energie aber trotzdem da ist. Und dass diese Energie dafür sorgt, dass ich die Welt verschleiert und verzerrt sehe und anders herum genauso.
Neue Klarheit, neue Lebendigkeit – zusammen mit der Scham
Nachdem mir dieser, sich immer wieder wiederholender, Prozess bewusst geworden war, konnte ich mich umentscheiden und, zusammen mit der Scham, den Menschen einen Schritt entgegenkommen. Also, genau den Schritt, den ich normalerweise innerlich zurückgegangen bzw. geblieben bin.
Mit einem Mal sah ich die Welt mit einer mir bis dahin unbekannten Klarheit. So, als wenn ich zuvor in einen Röhrenfernseher aus den 90er Jahren gesehen hatte und jetzt auf einen modernen Flachbildschirm-TV schaute. Ich fühlte meine Scham und akzeptierte sie. Und mit ihr strömte eine neue Lebendigkeit in meinen Körper.
Ich sah und spürte, was mir bislang durch meine Flucht vor der Scham bzw. den damit erzeugten Schleier entgangen war: Direkter, klarer und lebendiger Kontakt zu meinen Mitmenschen. Und darüber hinaus Sichtbarkeit und Wirksamkeit in der Welt.